In sechs kleinen Schritten ganz nah an die Natur
Text und Bilder: Karin Bechstein
In sechs Schritten, die eigentlich so einfach sind, beschreibt Karin, wie wir Wildbienen und anderen Insekten ihren natürlichen Lebensraum im Garten zurückgeben können. Lesen und nachmachen!
Wir bewirtschaften unseren Garten seit 35 Jahren. In dieser Zeit habe ich meinen Blick für Details geschärft und viel über Zusammenhänge gelernt. Dennoch werde ich immer wieder und an vielen Stellen überrascht.
So war es mit unserem Sommerflieder und Nisthilfen für Wildbienen, die sich die zukünftigen Bewohner, selbst geschaffen haben …
Schritt 1: Hinschauen
Vor vielen Jahren hatten wir einen Ableger eines gelb blühenden Schmetterlingsstrauches geschenkt bekommen, nämlich Buddleja weyeriana ‘Sungold’. Die Blüten sind sehr nektarreich. Die Blütezeit beginnt erst Ende Juli und dauert bis Mitte/Ende Oktober. Wir hatten den Strauch nie zurückgeschnitten, denn außer als Nektarquelle für Insekten war er die perfekte Schattierung für die Kompoststelle. Auch im Winter behielt der Strauch einen Teil seiner Blätter. Bei den milden Witterungsverhältnissen in Südniederachsen war das nie ein Problem.
Mittlerweile war der Strauch aber so mächtig geworden, dass er kräftig zurückgeschnitten werden musste, was im Spätherbst 2020 geschah.
War der Rückschnitt zu stark oder der Winter 2020/21zu kalt?
Jedenfalls blätterte im Frühjahr die Rinde ab und kahle Äste ragten in den Himmel.
Mitte Juni haben wir diese stakeligen Hölzer noch einmal bis in eine Höhe von etwa einem Meter zurückgesägt. Die verbleibenden Hölzer sollten Stütze für die Neutriebe sein, die zu diesem Zeitpunkt aus dem Wurzelstock erfreulicherweise wieder ausgetrieben waren.
Schritt 2: Staunen
Und dann die Überraschung.
Vier Tage nach dem Absägen der dicken Äste waren in der Mitte einer jeden Schnittfläche Löcher in unterschiedlichen Durchmessern zu sehen. In das kleinste der Löcher sah ich dreimal eine schlanke, zarte Wildbeine schlüpfen. Auch ohne Fotoapparat zur Hand ist mir das Bild eindrücklich im Gedächtnis geblieben!
Schritt 3: Mehr wissen wollen/neugierig werden
Für die vielen Arten von Wildbienen sind kurze Wege von den Futterpflanzen zu den Brutplätzen wichtig. Blütenreiche Gärten gepaart mit Totholz, leeren Schneckenhäusern, Mauerspalten und unbearbeiteten Bodenarealen für die Bodenbrüter sind ideal.
So entstehen Nisthilfen für Wildbienen
Schritt 4: Handeln
In diesem Fall: Nichts tun – nur schauen, wie immer mehr Holzmehl zutage gefördert wird.
Eine andere Episode spielte sich an unserer Regentonne ab – jetzt schon zweimal.
An der Regentonne befindet sich ein Schlauch, der immer nur dann zum Einsatz kommt, wenn das Wasser vollständig aus der Tonne ausgelassen werden soll, wie das bei einer gründliche Säuberung und zur Vorbereitung auf den Winter der Fall ist. Hier wiederholten sich alle Schritte eines glücklichen Miteinanders im Garten:
1) Hinschauen
Anfang Juni 2018 flog eine Wildbiene in die Tonne – und ich sah sie nicht wieder herausfliegen! Das machte mich neugierig.
2) Staunen
Kurze Zeit später sah ich, wie das Insekt ein Blattstück in den Schlauch eintrug – und dieses Mal hatte ich einen Fotoapparat zur Hand. Das beobachteten wir noch etliche Tage lang. Dann war die Auslauföffnung irgendwann zugemörtelt.
3) Mehr wissen wollen/neugierig werden
Die Wildbienen müssen geschlüpft sein, denn Anfang Juni 2021 sahen wir erneut eine Biene in den Schlauch einfliegen: Offenbar war darin wieder Platz! Dieses Mal war es definitiv keine Blattschneiderbiene – aber die Öffnung ist wieder ordentlich mit Lehm zugekleistert.
4) Handeln
Damit kein Maleur passierte, haben wir den Schlauch abgezogen (er war sowieso schon sehr porös!), in den Halbschatten gehängt und an der Regentonne einen neuen angebracht.
Schritt 5: Natur sein lassen
Diese besonderen Untermieter zeigen mir, wie einfach es ist, Natur ganz nah bei und um uns zu haben. Mit jeder Insektenart, die wir entdecken und beobachten, wird die Freude am naturnahen Gärtnern größer. Wildbienen, Wespen, Hornissen, Hummeln, Blattläuse, Ameisen, Schnecken, Raupen, Wanzen, Spinnen und Blindschleichen dürfen bei uns sein!
Schritt 6 gibt es dann einfach so dazu: Freude empfinden
Mittlerweile kommen Freunde und Bekannte, Kinder und Erwachsene und gehen mit mir auf Entdeckungsreise in unserem Garten. Sie wissen: Hier gibt es immer etwas zu sehen. Noch viel mehr außer Nisthilfen für Wildbienen. Und damit beginnt der Kreislauf aufs Neue: hinsehen, staunen, mehr wissen wollen, Handeln, Natur sein lassen, sich freuen. Ich bewirke mit meinem Garten etwas. Das bereitet nicht nur mir Freude!
“Durch Flächenversiegelung und Flächenfraß machen wir immer mehr Lebensräume zunichte. Gewerbe- und Neubaugebiete schießen wie Pilze aus dem Boden. Da kann auch ein “Insektenhotel” nichts ausrichten. Wir müssen Wildbienen und anderen Insekten ihren natürlichen Lebensraum zurückgeben bzw. bewahren. Wir als Garten- und Balkonbesitzer sind gefragt. Wir haben es in der Hand.” Daniela Ehm im Lavendelo 18, Frühjahr 2021
Wie du möglichts viele Nahrungsquellen für Wildbienen, Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und co bereithältst, dazu gibt es im Lavendelo 18 “Mut” den Artikel “Insektenfreundliche Gartengestaltung im Jahreslauf” mit Blühkalender.